News Dr. Malte Mienert

Fachtag in Ahornberg

Mit Prof. Dr. Malte Mienert aus Berlin hat sich die Fachakademie für Sozialpädagogik des Landkreises Hof in Ahornberg einen „pädagogischen Psychologen“, wie er sich selbst bezeichnet, zum Fachtag 2019 eingeladen. Schulleiterin Sigi Merz zeigte sich begeistert von dem riesig großen Interesse, „wir mussten sogar einigen Interessierten absagen“. Merz hofft, dass die Erzieher (innen) oder künftigen Erzieher(innen) von dem Vortrag etwas mitnehmen, „dass Sie rausgehen und gleich etwas umsetzten – oder zumindest einmal darüber nachdenken“. Über das Thema „Das haben wir doch schon immer so gemacht – Die „ja abers“ in Kita und Hort“, abgeleitet vom gleichnamigen Buchtitel des Professors für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie, wollte Mienert mit den Anwesenden diskutieren. Dabei übertreibt der sehr lockere Typ, er provoziert, um damit die Zuhörer aus der Reserve zu locken und um sie zum Nachdenken anzuregen. Professor Mienert stellte gegenüber den Erziehern fest, dass er kein Pädagoge sei, sondern ein pädagogischer Psychologe. Ihm ist es gleich aufgefallen, dass die Besucher genau den Altersjahrgängen in den Einrichtungen entsprächen. „Dort fehlen meist die mittleren Jahrgänge um die 40.“ Gemeinsam mit den Besuchern wollte er Möglichkeiten  finden, wie man die Kinder auf den Weg in die Zukunft vorbereitet. Der Psychologe weiß: „Kinder sind nicht das Problem, in die Erziehung wollen viel zu viele reinreden. Wir müssen mit den Erwachsenen streiten, damit es den Kindern gut geht!“ Wichtig sei, dass man dabei nicht persönlich wird. Die Anforderungen an die Erzieher/innen würden steigen, wegen Personalmangel würden aber die Qualifikationen zurückgehen. „Wer mit Kindern arbeitet, sollte ein Hochschulstudium haben“, fordert der Professor. Die aktuelle Pädagogik geht weg von der Fremdbildung hin zum Verantwortungslernen. Anfang der 90iger sei es zum Wendepunkt in der Pädagogik gekommen, das orientierungslose Erziehen hätte im Pisa-Schock gegipfelt. Deutschland sei Mittelmaß gewesen, „und zum Teil geht das nach wie vor so weiter“, Kinder sollen von allem etwas lernen und die Erwachsenen wüssten, was das Kind braucht, spöttelt der Professor. Die Pädagogen müssten sich fragen, was die Kinder von heute und bis ins Jahr 2100 hinein brauchten, welche Themen sie beschäftigen und was sie wissen möchten. Man müsse den Kindern vertrauen, dass sie sich mit den Themen auseinandersetzen, die sie für ihr Leben brauchen. Themen seien so vielfältig wie das Leben. „Leider greift die Hand der Erwachsenen immer stärker zu“, mahnt der Professor, „das Kind benötigt selbstbestimmte Zeit.“ Die Erwachsenen von heute würden die Kinder mit Methoden von gestern auf das Leben von morgen vorbereiten. Die „Ja aber´s“ im Kita- und Hortalltag würden noch zu häufig neue Ansätze des Miteinanders im Alltag behindern. Die Kindertagesstätten und Horte würden vor großen Herausforderungen stehen, „es geht um einen grundsätzlichen Wandel“.  Die jungen Erzieher sollten sich in ihrer Praxis nicht einschüchtern lassen und vor „den Alten“ nicht klein beigeben, „wenn sie sagen, das haben wir immer so gemacht“.  Eine gute pädagogische Arbeit sei aber nicht vom Alter abhängig. „Es gibt konservative Junge und progressive Alte.“ Moderne Lerntheorien und –ansätze  würden die herkömmlichen Vorstellungen eines Wissenstransfers von Lehrenden zu Lernenden verwerfen. Wichtig sei der Selbstbildungsprozess, dieser sollte unterstützt werden und in einem angemessenen Verhältnis zu Lernaktivitäten stehen, welche die Erwachsenen planen und initiieren. „Das tägliche Erleben strukturierter Situationen ist wesentlich.“  Eine Bildungspraxis, welche die Beteiligung der Kinder und die Arbeit in Projekten in den Mittelpunkt stellt, sei die beste Gewähr, dass sich alle Bildungs- und Kompetenzbereiche  anzielen lassen und zeitgleich ganzheitliches Lernen stattfinden kann.  Kinder müssten die Welt selbst kennenlernen. „Kinder erwerben ihr Wissen von der Welt und ihre Fähigkeiten, indem sie die Welt neugierig erforschen“, dabei würden sie auch auf Widersprüche und Unerklärliches stoßen. Diese Phänomene würden sie solange untersuchen, bis sie Erklärungen gefunden hätten und die Widersprüche auflösen. So würde im kindlichen Kopf Schritt für Schritt ein immer differenziertes Bild von der Welt entstehen. „Jedes Kind hat sein eigenes Bild von der Welt, das auf unterschiedlichen Vorerfahrungen beruht.“ Zukunftsaufgaben seien die Verbesserung der Bildungschancen, Integrationsförderung, gesundes Aufwachsen, die soziale Teilhabe und die Förderung von Verantwortungsübernahme. Die Anforderungen an heutige pädagogische Fachkräfte sei ein neues Verständnis vom Lernen – vom Beibringen zum Problemlösen - , ein neues Verständnis vom Alltag – von der Fremd- zur Selbstbestimmung -, ein neues Verständnis vom Bildungsauftrag  – Trennung schulischen und freizeitlichen Lernens -, ein neues Verständnis von Pädagogik – von der Trainingsorientierung zur Beziehungsorientierung -, ein neues Verständnis von Kindern und Erwachsenen – von Macht und Kampf zu Partizipation und Vertrauen -, ein neues Ziel des Lernens – von der Abhängigkeit in die Unabhängigkeit des Kindes – und ein neues Verständnis des Auftrages, von der Anweisung zur Situationsgestaltung. Die Pädagogin sei nicht mehr nur Basteltante, Aufpasserin und Diszipliniererin, Animateurin, Pflegerin und „Wisserin was das Kind braucht“, sie sei Bildungs- und Vertrauensperson, Fachpädagogin für kindliches Lernen, Netzwerkerin, Beobachterin und Dokumentatorin und Erwachsenenbildnerin. Mienert fordert die Anwesenden auf, die „Goldenen Zeiten“ für das pädagogische Personal zu nutzen.        

Artikel von Helmut Engel in der "Frankenpost" am ..

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